Topinamburforschung


Seit 1982 wird Topinamburforschung betrieben. Zunächst handelte es sich um ein Pilotprojekt als Kooperation zwischen dem Hessischen Landesamt in Kassel (Ob. von Kassel und Partner: Hans Eichel, später Ministerpräsident sowie Bundesminister für Finanzen) und der TU Berlin, vertreten durch den Präsidenten, Prof. Dr. Starnick. Betreuer waren der Agaring. E. Flöther, Kassel, und die Professoren Dr. H. Olbrich sowie Dr.-Ing. G. Bärwald, Berlin.
Topinambur wurde nach ökologischem Betriebsverständnis in Immenhausen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Glassl angebaut, in eigener Brennerei zu Bioethanol und Bioschlempe sowie Heizmaterial aus trockenen Topinamburstängeln verarbeitet. Die Schlempe wurde an Kühe für die Produktion von Vorzugsmilch direkt verfüttert. Während der Versuche stand der Betrieb unter ständiger Kontrolle des Veterinäramtes und der Zollaufsicht. – Topinambur sollte als „Zwischenkultur“ bei der Wiederaufforstung des durch Windbruch und saurem Regen erheblich geschädigten Waldbodens in Bereichen des Reinhardwaldes dienen und das Boden – pH verbessern.
„Es wurden zur Herstellung der süssen und alkoholischen Brennereimaischen unterschiedliche Verfahren angewandt: das klassische Aufschlussverfahren mittels Henze-Dämpfers (Überdruckverfahren bei 135°C zum Aufschluss von Inulin; 35 Min. Haltezeit beim Dämpfen von unten und von oben; Ausblasen bei Entspannung = 100 °C mit gleichzeitiger Zerkleinerung der Knollen), das Reibselverfahren durch Zerkleinern der Knollen in der Hammermühle (Siebgrößen von 1 bis 2,5 mm) und Erhitzen der Maische drucklos bis auf Kochtemperatur sowie ein Reibselverfahren mit optimierter Einstellung der Hammermühlsiebe und Pasteurisation der Maische bei 75 °C und anschließender Kühlung auf 30 °C sowie direkter Vergärung mit der Spezialhefe Kluyveromyces marxianus und der imperfekten Form Candida kefyr. Letztere direkte Vergärung benötigte keinen externen Enzymzusatz zur Verzuckerung von Inulin, weil diese Hefen selbst über ein Inulinase-Enzymsystem verfügen und ausserdem gute Gäreigenschaften besitzen. Bei den anderen Aufschlussverfahren wurden die Maischen bis auf 55-60 °C gekühlt, mit Inulinase (Firma NOVO, Dänemark) verzuckert, weiter auf 27 °C gekühlt und mit handelsüblicher Brennereihefe Saccharomyces cerevisiae in ca. 36 Stunden vergoren.
Die Energieausbeute des gewonnenen Ethanols wurde mit dem Energiebedarf in der gesamten Brennerei bilanziert. In diese Bilanz wurde der Dampfbedarf für, wenn eingesetzt, Henzedämpfer, sonst aber für den Maischbottich und die Destillierkolonne besonders ausgewiesen. Dieser konnte großenteils aus den vorgetrockneten oberirdischen Pflanzenteilen: Stängel, Blätter und Blüten, erzeugt werden. Hier liegt Ähnlichkeit zur Bagasse als Brennstoff in Rohrzuckerfabriken vor. Für die Befeuerung des Kessels wurde leichtes Heizöl also durch diesen Festbrennstoff ersetzt. Dazu war neben dem Umbau des Brenners insbesondere die Luftzufuhr neu zu regeln: der Heizwert von Topinamburstängeln lag deutlich über demjenigen von leichtem Heizöl mit 13.000 bis 15.000 kJ.kg-1 bei einem Feuchtegehalt von etwa 15%.
In die Bilanz wurden die Aufwände für Feldbearbeitung, Stängel- sowie Knollenernte, Reinigung der Knollen in der Brennerei (Entfernen der Steine; mehrfache mechanische Wäsche), Antriebsenergie für Sortier-, Reinigungs-, Rührwerk- und Pumpenmotoren Einbezogen. Energie-Rückgewinnung durch Maische- und Wasserkreisläufe wurde berücksichtigt. Das Projekt sah einen mit 90%vol Ethanol betriebenen Traktor (Firma Fendt) in der Feldarbeit vor. – Aus dem aus Topinamburknollen quantitativ gewonnenen Alkohol war zwar für das Fernsehen der Arbeitseinsatz des Traktors mit Ethanolmotor bildlich darzustellen. Insgesamt war es auch unter Einbeziehens aller berücksichtigten Kreisläufe nicht ökonomisch, alternative Energie aus dieser im weiteren Sinne zuckerliefernden Pflanze zu gewinnen.
In einem späteren Projekt 1988/92 unter der Regie der Bundesanstalt für Pflanzenbau (FAL) in der Ethanolversuchsanlage in Ahausen-Eversen, Niedersachsen, fanden wir die Daten für die Topinambur aus dem hessischen Pilotprojekt wieder bestätigt. Dort wurde jedoch die Schlempe nicht verfüttert sondern in Biogas fermentiert. Die in den Stängeln vorhandene Energie wurde nicht genutzt. Die Biogaserzeugung aus dem Prozess reichte aber nicht aus, um den über 4 Brennkolonnen auf 96%vol rektifizierten Sprit sowie die kontinuierliche Maischelinie zu versorgen. Auch hier war das erhoffte Resultat der alternativen Energiegewinnung aus dem nachwachsenden Rohstoff Topinambur nicht zu realisieren. In den Feldversuchen lagen die Ausbeuten zwischen 6 und 8 l w. (Liter absoluter Alkohol) pro 100 kg frische Topinamburknolle. Die Rodungen erfolgten ab Ende Februar bis Ende April eines Jahres.
Bei den früheren Aufgabenstellungen war noch kein Wert auf die CO2-Emission gelegt worden. Heute müssen CO2- und Feinstaubemissionen mit einbezogen werden.
Wegen des Regierungswechsels im Bundesland Hessen wurde das langfristig angesetzte Projekt 1984 nicht mehr gefördert sondern beendet. Da Topinambur als Feldfrucht noch angebaut war, wurden Wege zur Verarbeitung zu eigenständigen Lebensmitteln gesucht. Es wurde notwendig, die Topinamburforschung aus dem Projekt auszugliedern. Es wurde von den letzten verbliebenen Bearbeitern, Agraring. E. Flöther, Kassel, und Prof. Dr. G. Bärwald, Berlin, zwecks Rettung der bisher erfolgreichen Forschung und Entwicklung, als Ausgründung eine eigene GmbH mit Sitz in Kassel gegründet: Die TOPINA Diätrohstoff GmbH(www.topina.net). 1989 schied Herr E. Flöther aus und der Gutsbesitzer Hermann Cordes, Kirchlinteln, wurde neuer Geschäftsführender Gesellschafter. Er übergab seine Geschäftsanteile seinem Sohn Dipl.-Ing. agr. Gerhard Cordes, der Firmensitz wurde nach Verden/Aller verlegt (HRB837). Der geschf. Ges. G. Cordes ist für Anbau und Vermarktung, der geschf. Ges. Dr. G. Bärwald für F + E (Forschung und Entwicklung) zuständig. Durch die Kooperation mit dem Fachbereich 15 Lebensmitteltechnologie und Biotechnologie der TU Berlin konnten etliche Projekte bearbeitet und wissenschaftlich überprüft werden.Die Produkte werden im deutschsprachigem Raum über www.topinambur-handel.de vertrieben. Nachstehend dazu die Fachliteratur.